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Preisträgerin Kristin Steinke

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Kristin Steinke, Klassenstufe 9, Realschule, Landschulzentrum "Pappelhain", Groß Miltzow

Ich, das Schönhauser Schloss

So etwa um 1850 wurde ich in Schönhausen erbaut. Damals war ich ein großes, prächtiges Herrenhaus. Der Gutsherr von Michael wohnte viele erlebnisreiche Jahre in mir.
Es war die Zeit, wo ich richtig stolz auf mich war. Viele gutgepflegte Leute waren oft in meiner Nähe. Auch außen war ich gut gepflegt - das schönste Gebäude im Dorf. Leute in ärmerer Kleidung - auf ihre Weise herausgeputzt - pflegten durch die Hintertür zu gehen. Trotzdem waren sie stolz, dass sie auserwählt waren, für die Herrschaft die Wäsche zu bügeln. Die Angehörigen des Kriegervereins paradierten natürlich vor meiner Freitreppe.
Doch die Zeit verging, Herren von Michael kamen und gingen. Warum die letzte Frau von Michael 1945 rausgeworfen wurde, weiß ich nicht, aber ich wurde gebraucht.
Die Geflüchteten aus einem Krieg kamen hierher. Erst war ich wütend, dass aus einem Schloss ein Flüchtlingslager wird, doch dann habe ich es eingesehen. Es gab wohl nur diese eine Möglichkeit, die Heimatlosen unterzubringen und ich habe auch vieles mit den Familien erlebt. Es ist schön, wenn man gebraucht wird.
Etwa 1960 wurde ich dann als Schule eröffnet Ich glaube, das war von all den Jahren meine schönste Zeit. Jeden Morgen kamen viele Kinder zu mir. Sie lernten hier, lachten und weinten auch mal. Das hat mir richtig Spaß gemacht. Es gab damals sogar schon 10 Klassen. Bis nachmittags war immer richtig "was los". Am Abend konnte ich mich ausruhen und für einige Zeit das Geschrei der Kinder vergessen.
Doch mit der "Wende" wurde alles ganz anders. Die Schüler wurden mit der Zeit immer weniger. Dorfschulen waren nicht mehr so gefragt. Später gab es nur noch 4 Klassen und 1994 wurde die Schule - für immer? - geschlossen. Dabei wollten die Schüler doch lieber auf ihre gewohnte Schule gehen, als mit dem Bus in die Stadt oder in ein größeres Dorf zu fahren.
Jetzt fing für mich eine richtig schlimme Zeit an, denn jahrelang stand ich leer und war einsam. Doch es kam noch schlimmer. Kinder, die mich mal richtig glücklich gemacht hatten, schlugen meine Scheiben ein, traten Türen ein und die Anlagen außenrum zerstörten sie. Am liebsten wäre ich hingelaufen, um sie daran zu hindern. Doch das musste ich leider so überstehen.
Mein Befinden wurde immer kläglicher und so machte ich dann einen recht "vergammelten" Eindruck. Bis heute verstehe ich nicht, wie die Menschen so ein edles Schloss wie mich, einfach so "verfallen" lassen können.
Nach ein paar Jahren erinnerte man sich plötzlich wieder an mich und ein Schmalfilm-Museum wurde in mir eröffnet. Doch diese Menschen sind mir fremd, denn sie haben einen anderen Lebensstil als die, die ich bisher kenne. Außerdem zerstörten sie meine Erinnerungen aus all den Jahren.
Vor einiger Zeit wurde sogar eingebrochen und alles, was zu zerstören ging, wurde zerstört. Einige von ihnen habe ich tatsächlich wiedererkannt.
Muss ich damit leben, dass mich keiner mehr achtet?
Ich wünsche mir so sehr, dass eines Tages "meine Erben" kommen und mich wieder richtig nutzen.