Ihre Nachricht wurde erfolgreich versandt.
Okay
neustrelitz-erleben.de

Preisträgerin Henriette Thuir

img

Henriette Thuir, Klasse 11, Gymnasium Carolinum

Gentechnik - Chance für die Menschheit oder ihr Verderben?

Krankheit. Schmerz. Tod. Trauer. Verzweiflung. Angst.

Genau diese Worte beschreiben vor allem jetzt, in der COVID-19-Pandemie, den Alltag vieler Menschen. Krankheiten scheinen unausweichlich zu sein. Wir haben uns mittlerweile damit abgefunden, dass es sie gibt und sie hin und wieder Besitz von uns ergreifen. In den meisten Fällen genesen wir wieder und das gewohnte Leben, wie wir es kennen, geht nahtlos weiter. Doch was würde es für uns bedeuten, wenn unsere Gesundheit von Geburt an so dermaßen geschädigt wäre, dass wir gar nicht erst in der Lage wären, irgendwann selbstständig zu werden? Wenn wir das Leben nicht in vollen Zügen genießen, nicht für wenige Minuten entspannen könnten, dieses sogar ständig in Gefahr zu sein scheint?

Allein der Gedanke, den Großteil seines Lebens in Krankenhäusern zu verbringen und tagtäglich dutzende Medikamente einzunehmen, ohne jegliche Sicht auf Linderung der Schmerzen, ohne Ausweg, der hartnäckigen Krankheit zu entkommen, ist buchstäblich die Hölle auf Erden. Doch leider pure Realität, von der man hin und wieder mal in Zeitschriften liest oder im Rundfunk hört. Welche viel zu wenig Beachtung bekommt, zumal sie in dieser schwierigen Zeit kaum einen Platz mehr findet. Oftmals handelt es sich dabei um Erbkrankheiten, die nicht nur den Betroffenen selbst, sondern auch dessen Angehörige stark in Mitleidenschaft ziehen.

Ein Beispiel für eine solche Erbkrankheit ist die Mukoviszidose, welche in Europa und den USA bei hellhäutigen Menschen zu den am häufigsten tödlich verlaufenden Stoffwechselerkrankungen gehört. Aufgrund einer Störung des Salz- und Wassertransports der Zellen sind die Sekrete der meisten Körperdrüsen zähflüssiger als sie eigentlich sein sollten. Dabei ist die Lunge, neben diversen anderen Organen, am meisten betroffen. Irgendwann im Verlauf der Krankheit stellt der letzte Ausweg, weiterzuleben, eine Spenderlunge dar, doch ist eine vollständige Heilung bisher ausgeschlossen. Im schlimmsten aller Szenarien wird einem von seinem eigenen Körper wortwörtlich die Luft zum Atmen genommen.

Manchmal bleibt eine Erbkrankheit auch unentdeckt, gleicht einer tickenden Zeitbombe, die nur darauf wartet, bis der richtige Zeitpunkt gekommen ist, zu explodieren. Dann geht alles ganz schnell. Die Existenz des Opfers ist ausgelöscht und für nahestehende Menschen bleibt ein Scherbenhaufen zurück, welcher nur schwer wieder zusammenzusetzen ist. Diese „Bombe“ schlägt ein, ist gnadenlos, reißt alles und jeden mit sich, der auch nur im Entferntesten in der Nähe ist. Diese lässt sich mal mehr, mal weniger Zeit, doch wann es soweit ist, kündigt sie nicht an.

Doch je mehr ich über diese ganze Thematik nachdenke, so schleicht sich mir immer wieder die eine Frage ein: „Ist das alles nicht vermeidbar?“ Es muss doch einen Weg geben, diesen Erbkrankheiten ein Ende zu bereiten.

Die Antwort darauf soll „CRISPR – Cas9“ heißen. Es handelt sich dabei um eine Technologie der Gentechnik, welche einen großen Meilenstein der Genom-Forschung in der Geschichte der Wissenschaft darstellt. Sie soll sowohl schneller, einfacher, günstiger und auch erheblich präziser als alle bisherigen Werkzeuge auf diesem Gebiet sein. CRISPR-Cas9 macht es möglich, Gene gezielt auszuschalten, zu verändern oder gar zu ersetzen. Dabei kann man die Genschere Cas9 sozusagen gezielt auf einen Einsatzort innerhalb des Erbguts programmieren, sodass die DNS genau an der besagten Stelle geschnitten wird. Dabei können DNS-Bestandteile entfernt, eingefügt oder verändert werden. Anschließend repariert sie diesen Schnitt selbst. Genau mit dieser Methode können wir voraussichtlich in 10 bis 20 Jahren tausende Krankheiten heilen.

Wenn wir aber mal unsere Gegenwart etwas genauer beleuchten, dann kann man feststellen, dass es heutzutage bereits möglich ist, den menschlichen Embryo zu verändern. Zwar ist dies noch in der Entwicklung und die Nebenwirkungen noch gar nicht recht abzusehen, jedoch sollen die ersten gentechnisch veränderten Menschen, sogenannte „Designer-Babies“, mit genau jener Methode im Jahre 2018 in China zur Welt gekommen sein, ohne Legitimation. Auch hier in Deutschland ist es bislang verboten, menschliche Embryonen gentechnisch zu verändern. Denn wie ich es bereits angedeutet habe, ist CRISPR-Cas9 noch nicht vollends ausgereift, im Gegenteil, sie steckt noch in ihren Kinderschuhen. Doch ist es in Ordnung, so stark in die Evolution einzugreifen, selbst wenn auch nur die kleinste Möglichkeit, die kleinste Hoffnung besteht, dutzende Menschenleben zu retten?

Nun, wir müssen uns bewusst machen, dass genetisch modifizierte Menschen den Genpool, also die Gesamtheit der genetischen Information des Menschen, endgültig verändern können. Das passiert, indem sie ihre veränderten Gene über Generationen hinweg weitergeben und damit langsam, aber sicher, das Erbgut unserer gesamten Spezies beeinflussen. Genetisch perfekte Menschen, das ist doch ein Traum, oder? Allein das Wort „perfekt“ in Zusammenhang mit unserer Gesundheit, kann doch nur extrem toll sein. Unbeschwert durchs Leben gehen, ohne Angst zu haben, geliebte Menschen aufgrund einer Krankheit zu verlieren. Aber werden wir dann überhaupt noch in dieser Form wie wir jetzt existieren, sprich genau in diesem Moment, in Zukunft bestehen können? Fragen über Fragen und doch kann sie uns niemand beantworten, nicht weil man es nicht will, sondern vielmehr, weil man es einfach noch nicht kann. Traurig aber wahr. Derart perfekt, wie wir es uns möglicherweise vorstellen, wird es vielleicht niemals sein.

Anfangs, bei den ersten „Designer-Babies“, wird man wahrscheinlich noch zurückhaltend sein und nur das Nötigste, wie tödliche Erbkrankheiten, eliminieren wollen. Es wird ziemlich langsam vonstattengehen, immerhin will man sich keine groben Fehler erlauben. Es gilt also das altbekannte Sprichwort: „Vorsicht ist besser als Nachsicht“. Doch die Lebensweisheit Goethes „Es irrt der Mensch solang er strebt“ in „Faust I“ passt an dieser Stelle auch ziemlich gut. Es scheint so, als würden wir uns nie mit etwas zufriedengeben. Haben wir erst einmal eine Hürde überwunden, stürzen wir uns mit den Gedanken direkt wieder in die Zukunft und grübeln nach, was wir noch erreichen könnten. Wie man sieht, unterscheidet sich diese Eigenschaft anscheinend nicht von unseren Vorfahren vor mehr als 200 Jahren. Wir leben und genießen oftmals den Moment nicht. Das wird uns wahrscheinlich eines Tages zum Verhängnis werden, vor allem wenn es um etwas so Komplexes wie die Gentechnik geht. Mit den vermeintlichen Erfolgen der ersten „Designer-Babies“ werden wir uns nicht zufriedengeben. Wir wollen immer mehr und mehr, kriegen nicht genug. Es reicht uns nun nicht mehr aus, Krankheiten zu heilen, nein, wir streben noch viele weitere Veränderungen an. Veränderungen, welche wir selbst festlegen, selbst auswählen wollen, zumal es sich um unsere eigenen zukünftigen Kinder handeln wird. Dann blättern wir nicht hin und wieder in einem bunten Katalog, um die trendigsten Kleidungsstücke auszuwählen, sondern kreuzen an, ob unsere Nachkommen groß oder klein, muskulös oder zierlich sein, glattes braunes oder lockiges blondes Haar bekommen sollen. Die ersten genetisch veränderten Menschen öffnen uns somit viele weitere Türen für Erfolgsaussichten, den Menschen zu perfektionieren und nach unseren Vorstellungen zu gestalten. Mit der Zeit lernen wir vieles dazu, unser Wissen über unsere DNS wächst und wir werden immer mutiger. Je größer dann die Akzeptanz von Gentechnik in der Gesellschaft wird, desto stärker werden auch die Versuchungen sein, noch viele andere Modifikationen vorzunehmen. Sie wird zur Normalität.

Das alles schafft neue ethische Probleme. Gerade unsere Vielfältigkeit macht uns doch besonders, aber gleichzeitig geben wir diese in gewisser Weise auf. Es ist schwer, eine genaue Grenze festzulegen, wann etwas ethisch und wann es bereits unethisch ist.

Mit dem Fortschritt der Technologie kann es durchaus dazu kommen, dass wir es als unethisch ansehen, wenn wir die Gentechnik nicht einsetzen. Wir würden unseren Kindern demnach die Heilung vorenthalten und vermeidbaren Qualen und dem Tod aussetzen.

Man kann die ganze Problematik von verschiedensten Sichtweisen aus betrachten und jeder wird seine eigene Meinung dazu haben.

Fakt ist, wir entwickeln uns weiter und damit auch die Wissenschaft. Wir wissen nicht was morgen oder in hunderten von Jahren kommen wird.

Nichtsdestotrotz bleibt die mitunter alles entscheidende Frage zurück:

Sind die Vorteile von CRISPR-Cas9 wirklich größer als die damit verbundenen möglicherweise auftretenden, teilweise noch unbekannten Risiken?


Quellen:
- Biochemie; 4. Aufl.; Rassow, Hauser, Netzker, Deutzmann; Thieme Verlag
- https://www.youtube.com/watch?v=ZAz1GutJGbg
- https://www.apotheken-umschau.de/mukoviszidose